Radeln bis der Hintern schmerzt – 1991 von Traunstein nach Hessigheim

Mit dem REX ausm Baumarkt von der Traun an den Neckar ohne Handy, Navi und Akku

Landkarte, 18 Sachs-Gänge, Flickzeug, Luftpumpe, Stopp-Uhr, Klingel, Dynamo, Trinkflaschen, Pulverchen, Pflaster, Wecker, Reisetagebuch samt Kuli, Zelt und Regenkleidung – Auf gehts 🙂

2 Tage ist Zeit für geplante 360 KM – Mit einem 20er Schnitt sollt sich das ausgehen – alles wird im Reisetagebuch notiert!

Am 25.07.1991 pünktlich um 06:08 Uhr gehts los. Vorher noch ein Kaffeetscherl und ein Reise-Bussarl. Dann wird im Haidforst zu Traunstein in Obb. losgestrampelt. Zum Chiemsee naus geht es erstmal gut bergab. So erreiche ich um 06:52 Uhr nach knapp 20 Kilometern mit einem 27er Schnitt „Malerwinkl„. Es beginnt zu regnen und so gibt es die erste Pause mit Zigarette. Nach 10 Minuten radel ich weiter in Richtung Bad Endorf.

Um 07:23 Uhr kann ich den Wetterschutz wieder einpacken. Es ist wieder trocken. Noch fahre ich einen 25er Schnitt und bin fit wie ein Turnschuh. Nach den ersten 63 KM muss ich gegen 09:00 Uhr im kleinen Dettendorf zum ersten Mal meine Landkarte wenden. Ich will immer entlang der A8 bleiben. Noch hab ich einen 25er geschafft. Erstmal einen Schluck trinken, Schneutzen, Zigaretterl. Das Wetter paßt. Wieder 10 Minuten pausiert und jetzt gehts weiter in Richtung Aying. So der Plan.

Trotz Wegweiser und Karte lande ich verfahren mit einem 24er Schnitt in Baiern und fahre nun über Elendskirchen (heißt wirklich so) , Oberlaus und Großhelfersdorf nüber nach Aying. Der erste Umweg also. Der Hunger meldet sich. Wo bleibt der Biergarten? Exakt um 10:45 Uhr springt mir die Kette raus. Sapperment. 10 Minuten später sitz ich im Ayinger Biergarten. Nach nunmehr 95 Kilometern schmeckt mir die Brotzeit außerordentlich gut. Mein Schnitt ist inzwischen auf 23 gefallen.

Zeit für eine Brotzeit

Zwei Paar Wiener, 2 Debreziner, 3 Scheiben Brot und dazu ein Weißbier. Das hats jetzt braucht. Um 11:40 Uhr geht es zufrieden nach einem Verdauungszigaretterl weiter in Richtung München. (es ist 1991 – da hat man noch geraucht)

Nach 131 Kilometern wechsel ich gegen 13:40 Uhr irgenwo in München die Karte. Einen Stadtplan hab ich nicht und die Schilder helfen kaum weiter. Auf die Autobahn will ich ja nicht. Ich komm am Schloß Nymphenburg vorbei. Das müsste passen. Um 14:35 Uhr bin ich endlich wieder raus aus der Landeshauptstadt. Inzwischen hab ich 6 Stunden und 21 Minuten Fahrtzeit hinter mir. 145 Kilometer sind erstmal geschafft. Nächstes Ziel soll Gröbenzell sein.

Auf der Suche nach dem Passat

Ein paar Kilometer vor Gröbenzell bei Langwied halt ich Ausschau, ob ich zufällig meine Christine und die Kids auf ihrem Weg nach Hessigheim sehe. Der beige Passat ist allerdings unauffällig und mit Christine immer flott unterwegs 🙂 Aber das ungeplante Rendevous trifft nicht ein. 4 Kilometer hinter München fuxt die spinnerte Schaltung. Ich dreh ein wenig an den Stellschrauben. Mal schaun. In Gröbenzell hab ich mir einen Apfel und Zigaretten gekauft. Schnitt 22.

An der AS Dachau schau ich nochmal, ob ich zufällig meine Geliebte und den Traunsteiner Passat erspähe. Wieder nix. Dafür spinnt die Schaltung schon wieder. 162 Kilometer hat sie erst hinter sich und über 200 müssens noch werden. Ohne Verfahren. 16:00 Uhr – weiter gehts.

17:05 Uhr – AS Odelzhausen – erstmal bieseln. Muss eh nicht oft, obwohl ich ständig Wasser trinke. Dann schau ich wieder, ob ich den beigen Passat Kombi auf der A8 fliegen seh. Wieder nix. Bei Odelzhausen muss ich erstmal rausfinden, wie es weitergeht. Ich hab mich wohl schon wieder verfahren. Leicht tröpfelt es. Schnell noch eine Zigarette. Hoffentlich regnets nicht. Trinkwasser hab ich schon wieder organisiert und samt Pulverchen in die Flaschen getan. Allerdings. Die erste Flasche hab ich schon wieder ausgetrunken. Meinen Schnitt hab ich wieder auf 23 Km/h hochgebracht. Die Kette sieht trocken aus. Kettenfett hab ich nicht dabei. Jetzt hab ich 8 Stunden Fahrtzeit und 180 KM geschafft. Die Schaltung funzt wieder einwandfrei.

Weiter gehts nach Adelshausen in Richtung Augsburg. Um 17:48 Uhr – ich hab extra auf die Uhr geschaut – springt mir bei irgendeinem Autobahnübergang vor Adelshausen die Kette wieder mal raus. Das vierte mal schon. Ich rauche lieber mal gleich eine. Nach der Reparatur suche ich die A8 wieder mal nach den Passat ab. Wär nämlich ein schöner Zufall. Außerdem fehlen mir die Vier :-). Aber wieder keine Spur.

Kurz nach 18:00 Uhr komm ich endlich aus dem Wald raus, muß aber feststellen, daß die Stopp-Uhr seit dem letzten Halt nicht gelaufen ist. Zur Fahrtzeit (8 Stunden 24 Minuten) muß ich also jetzt immer 13 Minuten draufrechnen. 191 Kilometer sinds nun schon (187 + 4). Ich finde mich in Hohenzell wieder. Total abseits. Also weiter. 18:36 Uhr AS Adelshausen. Wieder keine Christine, aber eine Zigarette.

Nach vielen Verfahrungen bin ich um 19:06 Uhr wieder auf dem richtigen Weg. Vom Gewitter blieb ich verschont. Aber es regnet. Wieder hab ich vergessen, die Stopp-Uhr zu starten. Fahrtzeit 9 Stunden plus Fragezeichen, Kilometer 202 plus Fragezeichen. Um 19:14 Uhr gehts weiter.

Um 19:58 Uhr erreichen ich die Rastanlage Augsburg. Man kann mit dem Radl hinfahren. Der Schnitt ist wieder runter auf 22 KM/h. Ich habe einen Mordshunger, Aber ich telefoniere erstmal mit Hessigheim 07143/59…. Das Telefonat mit meiner Maus tat gut. Es war schön, ihre Stimme zu hören. Sie ist gut angekommen.

An der Rastanlage konnte ich mich mit warmem Wasser waschen. Jetzt sitz ich am Fenster. Darußen sehe ich das abgesperrte Radl. Gerade bringt mir die Kellnerin meine zwei Flaschen mit Wasser. Ich bestelle Rahmschnitzel mit Spätzle und Salat. Dazu eine Portion Kamillentee und ein Radler.

Ich bin schon gespannt, wie weit ich heute noch komme. Meine Muskeln sind trotz Pulverchen total übersäuert. Der Hintern tut mir auch schon weh. Ich werde heute wohl auf dem Bauch schlafen 😉 Auf der Autobahn seh ich Stau. Gegen 21:00 Uhr brech ich wieder auf. Der Dynamo bringt Licht ins Dunkel. Ich will nach Gersthofen kommen.

Um 21:45 Uhr erreiche ich das Ortsende von Batzenhofen. Durch Gersthofen bin ich schon durch. Ich mach einen Stop wegen dem Regenschutz und rauche derweil eine. Noch hab ich einen 22er Schnitt. In der Dunkelheit komm ich mit der Karte nicht mehr gut zurecht und verfahre mich immer öfter. Der Schnitt sinkt auf 21 Km/h. Nach vielen kurzen Orientierungsstops und nach einem weiteren Fehlweg beende ich die Fahrt für diesen Tag um 23:12 Uhr und schlag im Dunkeln bei Streitheim neben der Autobahn auf einer Wiese mein Zelt auf. 15 Minuten später steht das Zeit und ist der Wecker gestellt. Gegen 00:05 Uhr ziehe ich den Reißverschluß des Zelts zu und schlaf auch gleich ein.

Gute Nacht

05:30 Uhr wach ich auf. Ich fühl mich eigentlich gut, hätte aber gern einen Kaffee und ich müsste eigentlich auch auf Glo… Als ich aus dem Zelt klettere, seh ich ein paar Menschen, die da auf ihren Bus warten. Oha, ich zelte an einer Haltestelle. Guten Morgen wünsch ich artig und packe alles wieder ein.

Ich bin schon gespannt, wie es sein wird, wenn ich wieder auf dem Sattel sitze. Um 06:25 Uhr verlasse ich Streitheim in Richtung Zusmarshausen. Das Wetter könnte gut werden.

Entschuldigung, aber das gehört halt auch dazu. Um 06:40 Uhr bin ich nach 11 Stunden Fahrtzeit und 243 Kilometern zwischen Streitheim und Zusmarshausen kurz mal zu Fuß im Wald. Ihr könnt Euch denken warum. Es ist seit Abfahrt die erste Stinker-Pause. 12 Minuten später gehts schon weiter. War eh kaum der Rede wert 😉

In Burgau bin ich um 08:20 Uhr. Zwischendurch hatte ich mal den richtigen Weg, dann wieder nicht, aber jetzt schon wieder. Ich gönne mir eine Rauchpause. Ab und zu fällt ein Tropfen. Ich hoffe, daß es nicht regnen wird. Ca. 270 Kilometer hab ich jetzt geschafft. Um 09:10 Uhr mach ich schon wieder Pause. Hier kurz vor Leipheim gönne ich mir eine Käse-Salami-Semmel und rauch eine. Mein Schnitt ist immer noch bei 21,5. Ich bins zufrieden.

Nur 10 Minuten später gehts schon wieder weiter. Bei Tageslicht orientiere ich mich leichter. Gegen 10:10 Uhr stehe ich in Riedheim vor der Radstraße. Es ist schon wieder Zeit zum Kartenwenden. Die Schwäbische Alb hab ich noch vor mir. (Oh Gott, oh Gott).

Um 10:45 Uhr füll ich in Langenau wieder meine Wasserflaschen auf. Es tröpfelt. Ich rauch eine und versuche dann in Hessigheim anzurufen. Es hebt aber niemand ab. Die sind wohl am Neckar spazieren. 301 Kilometer sind schon geschafft. 14 Fahrstunden hat der Hintern schon ausgehalten. Immer noch hab ich eine Schnitt von 21,5 Km/h.

Mittags um halb eins erreiche ich das 625 m hoch gelegene Tomerdingen. Dort finde ich endlich wieder eine Telefonzelle. Hoffentlich klappt es diesesmal.

Die guten alten Telefonzellen

Die Alb ist brutal. Es geht ständig bergauf und dazu kommt noch der Gegenwind. Es ist ganz selten, daß ich über 20 Km/h komme. Aber es regnet wenigstens nicht. Wenn es doch ab und zu tröpfelt, dann tut das direkt gut. Obwohl. Kalt ist es schon.

Die Schwäbische Alb

Wieder hab ich eine Telefonzelle gefunden. Erst erreiche ich Christine leider nicht. Sie holt gerade Pizza. Aber ein paar Minuten später um 12:52 Uhr erreiche ich sie. Ich sag ihr, wo ich bin und daß ich bald da bin….

Weiter gehts. Bis um 14:15 Uhr notier ich nix in meim Heftl. Aber dann 20 Kilometer weiter in Aufhausen muß ich wegen Sturm und Regen stoppen. Eigentlich auch wegen Hunger. Jedoch hat die einzige Wirtschaft leider zu. Jetzt sitz ich unter einer dicken Eiche und bin einigermaßen geschützt. Vor mir liegt die Schonderhöhe. Oje, oje.

Noch bis 15:00 Uhr bleib ich unter meiner Eiche. Ich habe Salami und Knäcke gegessen. Leider habe ich schon wieder kein Wasser mehr. Außerdem hab ich meinen schicken Radlanzug angezogen. Es friert mich trotzdem wie die Sau. Noch 6 Stunden reine Fahrzeit hab ich vor mir. Ich bin schon knapp davor, aufzugeben. Wie wird es wohl nach der Schonderhöhe weitergehn? Mein Schnitt ist runter auf 20,7 Km/h. Es hat aufgehört zu regnen. Weiter gehts.

Hurra, ich musste die Schonderhöhe nicht rauf, sondern es ging bergab von Aufhausen mit 785 m runter nach Mühlhausen im Tale, das ungefähr 500 m hoch ist. Die Abfahrt war Lohn für die ganze Mühe. Eine halbe Stunde bin ich bergab gefahren.

Ich hab mir wieder Wasser besorgt und die Hälfte schon wieder weggetrunken. Es ist schon wieder Zeit für einen Kartenwechsel. Es ist bereits 15:42 Uhr, als es weiter nach Gruibingen geht. Vorbei an den Rufsteinhängen habe ich etwa 1 Stunde später endlich Hattenhofen gefunden. Aber wie geht es jetzt weiter? Die Beschilderung ist das allerletzte. Die Radwege sind auch abenteuerlich. Wurzeln sprengen den Teer.

Google-Maps gabs 91 für mich noch nicht

Das rechte Knie schmerzt immer mehr. Ich weiß nicht, wie lange das noch geht. Ich trete vorwiegend mit dem linken Bein. Das kostet Kraft. Mein Wasser ist schon wieder leer.

Um 16:50 Uhr fahr ich weiter in Richtung Göppingen. Kurz nach 18:00 Uhr komme ich nach Büchenbronn bei Ebersbach an der Fils. „Des is da Wahnsinn. So an Berg hob i no nie gseng“, entfährt es mir. Der Schnitt sinkt weiter auf 20,4 Km/h. Ob das mit dem 20er Schnitt noch was wird? Jetzt erst mal weiter nach Manolzweiler.

Inzwischen ist es 20:10 Uhr, als ich 15 Kilometer weiter mitten in Neustadt wieder eine schöne gelbe Telefonzelle finde. Da ist schon einer drin. Das gelbe Häuserl ist besetzt. Dann warte ich eben. Aber dann ruf ich an und möchte berichten: „So wie es ausschaut, schaffe ich es doch noch mit Orientierungspausen bis 22:00 Uhr“ Aber der 5er fällt durch. Was anderes habe ich nicht. Also ohne Telefonat weiter. Noch etwa 30 Kilometer. Noch ist der Schnitt mit 20,35 Km/h über 20 🙂 Ich schreib mir nimmer viel auf. Keine Zeit dafür.

Ankunft

22:40 Uhr – Ankunft in der Besigheimer Straße in Hessigheim mit Hupe, Feuerwerk, Sekt, Torte und Küsschen. Geschafft. Jetzt erstmal im weichen Sessel zu Hause Bescheid geben. Dann leg ich mich erstmal in die Badewanne.

Erstmal im weichen Sessel sitzen

Ich habs geschafft. Grimmig. Ich freu mich. 22 Stunden war ich auf dem Drahtesel gewesen und habe mit den ganzen Umwegen 445 Kilometer gestrampelt. Meinen Schnitt habe ich geschafft. 20,24 Km/h hab ich am Ende gehabt.

Vielleicht sollt ich die Tour mit E-Bike und Navi nochmal fahren?

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Eine Antwort zu „Radeln bis der Hintern schmerzt – 1991 von Traunstein nach Hessigheim”.

  1. Respekt Walter, i hobs no ned mal umman Keamsee gschaft mim radl, nur mit da Duc. LG alter Kämpfer👍🎸

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